Der Fischotter als Amphib unter den Mardern

 

Von Oliver A. Radtke

 

Verschiedene Gruppen der Säugetiere bringen Arten mit wechselnder Land- und Gewässernutzung hervor. Was unter den Nagern etwa Bisam oder Biber ausmacht, verkörpern die Otter unter den Mardern. Anatomisch, physiologisch und ökologisch weisen sie Konvergenzen zu den Amphibien auf, die als relativ ursprüngliche Wirbeltierklasse noch zwischen dem Wasser- und dem Landbewohner stehen, und genauso wie sie ist das Überleben dieser amphibisch lebenden Säuger an ein ausreichendes Angebot geeigneter Feuchtgebiete gebunden. Der Fischotter ist Säugetier des Jahres 1999.

Die Marder sind eine relativ urtümliche Familie der Landraubtiere und dürften unter der rezenten Fauna den ersten Raubsäugern am ähnlichsten sein. Ihr charakteristisches Raubtiergebiss weist noch die kompletten 32-38 Zähne auf, darunter einen Höckerzahn, der hinter dem carnivorentypischen Reißzahn angeordnet ist. Urtümlich ist ebenfalls die starre Anordnung des Kiefergelenks, so dass Marder, anders als etwa Hunde- oder Katzenartige, nur schneidend-quetschend kauen können. Ein weiteres gemeinsames Merkmal ist übelst-chemischer Art: Am After befindet sich serienmäßig eine Stinkdrüse, deren Sekret nicht nur unangenehm

 


Der Seeotter

Zum Schluss sei noch auf den zweiten, dem Volksmund geläufigen Otter eingegangen. Der Seeotter (Enhydra lutris), nach dem Vielfraß zusammen mit dem Riesenotter in die Kategorie der zweitgrößten Marder gehörend, erweckt mit seiner Rumpflänge von bis zu 1,3 Meter und der im Vergleich zum Fischotter stämmigeren Gestalt oft den Eindruck einer Ohrenrobbe. Die marinen Wassermarder leben an den küstennahen Meereszonen des Stillen Ozeans von Japan, den Aleuten und der nordamerikanischen Pazifikküste, wo man sie entweder schwerfälligen Landganges oder behende im Wasser schwimmen, tauchen oder auf dem Rücken mit einer wirbellosen Mahlzeit in den Pfoten treiben sieht. Wie sein limnischer Vertreter ist auch der Seeotter Teil des Nektons, also ein Wassertier mit aktiver Eigenbewegung. Einen gewichtigen Anteil der Beutetiere stellen Seeigel, Mollusken und größere Krebse, die in Tauchgängen beachtlicher Tiefe oft dutzendweise gesammelt und dann in der typischen Rückenschwimmlage mit der Bauchdecke als Tisch verzehrt werden. Dabei beweist der Otter schon allein mit Pfoten und Zähnen beachtliches Präperationsgeschick, notwendig angesichts des Speiseplans, und beherrscht auch das Hantieren mit Steinen zum Knacken von Schalentieren. Da die Beutetierfauna an die Tangwälder der nordischen Meere gebunden ist und die gigantischen Braunalgen als Nahrungsergänzung geschätzt werden, stimmt das Verbreitungsgebiet des Seeotters weitgehend mit diesem Ökosystem überein. Auch dürfte er mit seiner Vorliebe für Seeigel zum Fortbestand der Laminarialenvegetation beitragen, da die robusten Stachelhäuter sich durch deren Abweiden ernähren und nur wenige Räuber deren Abundanz in Grenzen halten können. Dieser Vegetationstyp erstreckt sich oft bis in weite Entfernungen von der Küste und profitiert von dem durch den Auftrieb eingebrachten pelagischen Nährstoffeintrag.

Seeotter weisen einige für Marder untypische Verhaltensweisen auf: Sie leben gesellig und halten sich in polygamen Großfamilien zumeist im Wasser auf, besitzen aber auch Bauten an Land, die vorwiegend bei stürmischer See aufgesucht werden. Nach der Paarung im Wasser (in der für Säugetiere ungewöhnlichen Bauch-zu-Bauch-Stellung) und etwa 8-9 Monaten Tragzeit suchen, quasi umgekehrt amphibisch, die ansonsten mit dem Wasser verbundenen Tiere ebenfalls das Land auf, um ein einzelnes Jungtier zur Welt zu bringen, das bei der Geburt schon ungewöhnlich weit entwickelt ist.

Manchen Berichten zufolge ist es bei Seeottern mit den Manieren nicht weit her: So wird beschrieben, dass diese Marder sich während der Paarung mit den Fußkrallen an der Nase des Partners festhalten, sich gegenseitig die Nahrungsvorräte klauen oder Jungtiere entführen und dadurch vom Muttertier die Jagdbeute erpressen.

Ähnlich dem Fischotter ist auch der Seeotter in seinem Bestand gefährdet. Im gesamten Verbreitungsgebiet wurde der „Kamtschatka-Biber“ wegen seines samtigen schwarzen Fells gejagt und an den Rand der Ausrottung gebracht. Trotz des völligen Jagdverbots im Beringsee-Vertrag Anfang des Jahrhunderts sind nur noch an einzelnen Stellen stabile Populationen erhalten. Auch Verschmutzung und Verschwinden der küstennahen Tangwälder wirken sich negativ aus.

In diesem Zusammenhang wird ein weiteres Schwinden der Seeotterbestände aktuell, das nach einigen Jahren sich erholender Populationsdichte überraschte und nicht auf erhöhte Mortalität, verminderte Fertilität oder Abwandern in andere Gebiete erklärt werden konnte. Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass ein Großteil von Seeottern aus leicht zugänglichen Meeresbuchten Opfer von Angriffen des Schwertwals (Orcinus orca) geworden ist. Dieser räuberische Meeressäuger jagt normalerweise Robben, deren Bestände in letzter Zeit ebenfalls gesunken sind; dieses kann wiederum auf die Verarmung der Fischbestände in den Tangwäldern zurückgeführt werden. Erst dadurch ist es für die Zahnwale überhaupt interessant geworden, die relativ kleinen Marder zu erbeuten. Welche Konsequenzen dieses Gefüge auf den Zustand des Seetangs haben wird - schließlich werden die gefräßigen Seeigel nicht mehr durch den Seeotter in Schach gehalten - wird sich zeigen: Beruhigend sind derartige Aussichten sicherlich nicht, vor allem im Hinblick auf die Komplexität derartiger Zusammenhänge und deren Neigung, sich in ihren jeweiligen Folgen aufzuschaukeln.

© BiOkular 1999



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